Fortbildung der besonderen Art

Fortbildung der besonderen Art

Einer der Schwerpunkte des Sozialwesen-Unterrichts ist das Kennenlernen von Berufen im sozialen Bereich. Dies geschieht einerseits durch das Vorstellen verschiedener Berufsbilder (z.B. Heilerziehungspfleger oder Hebamme). Andererseits leisten Schüler aus diesem Zweig jeweils in der achten und neunten Jahrgangsstufe verpflichtend ein Praktikum in einer sozialen Einrichtung ab. Dabei fällt die Entscheidung oft auf einen Kindergarten oder eine Arztpraxis. Der Schritt in die Pflege fällt den meisten allerdings eher schwer. Zu groß sind die Vorurteile, die in den Köpfen kursieren. Besonders die Arbeit mit alten Menschen ist mit vielen Klischees behaftet. Aus diesem Grund entstand die Idee, als Lehrkraft ein Praktikum in einem Altenheim abzuleisten, um hoffentlich die vielen Vorbehalte der Schülerschaft aus erster Hand ausräumen zu können. Möglich ist dies durch eine Maßnahme aus dem Modus-21-Katalog, der es Schulen unter anderem erlaubt, Lehrkräfte für mehrere Tage für ein Hineinschnuppern in einen anderen Berufsalltag freizustellen.

Die Arbeitswoche war aufgeteilt in eine dreitägige Mitarbeit in der Pflege und eine zweitägige Mitarbeit in der Betreuung. Begonnen wurde am Montag um 6 Uhr morgens mit dem Frühdienst in der Pflege. Als Begleitung einer Pflegefachkraft mussten die Morgenarbeiten erledigt werden. Dabei teilen sich die diensthabenden Pflegekräfte die Station untereinander auf. Je nach Pflegegrad- je höher der Pflegegrad umso mehr Zeit wird für die Betreuung des Bewohners eingeplant- muss eine Pflegekraft bis zu sechs Bewohner am Morgen versorgen. Dies beinhaltet Aufwecken, Hilfe beim Waschen und Ankleiden und Machen des Bettes. Normalerweise hat jeder Bewohner einmal pro Woche Badetag. Dies bedeutet, dass je nach Wunsch entweder auf dem Zimmer geduscht oder gebadet wird. Zum Baden steht der Station ein Pflegebad zur Verfügung, in dem der Bewohner über einen besonderen Hebesitz in eine höhenverstellbare Badewanne gesetzt werden kann. Dies gibt dem Bewohner einerseits ein Gefühl von Sicherheit, andererseits ermöglicht er ein rückenschonendes Arbeiten. Nach der Weckrunde, bei der selbstverständlich auch auf die Langschläfer geachtet wird, steht das Verteilen des Frühstücks an. Einige Bewohner nehmen das Frühstück auf dem Zimmer ein und brauchen dabei keine bis wenig Unterstützung. Andere wiederum benötigen Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme oder wollen in Gesellschaft ihre Mahlzeiten einnehmen. Auch Ausgabe von Medikamenten, Messen der Zuckerwerte bei Diabetikern und Unterstützung beim Toilettengang gehören zur Morgenroutine. Weiterhin müssen sämtliche Tätigkeiten am und mit dem Bewohner von jeder Pflegekraft dokumentiert werden. Auch hauswirtschaftliche Arbeiten wie das Wegbringen der Schmutzwäsche und das Einsortieren der frisch gewaschenen Wäsche in die Schränke der Bewohner fallen in den Aufgabenbereich des Frühdienstes. Gegen 11 Uhr stehen die Vorbereitungen für das Mittagessen an. Diese verlaufen ähnlich wie beim Frühstück. Auch hier wird bei bestimmten Bewohnern (z.B. bei unerklärlicher Gewichtsabnahme) sehr genau beobachtet, ob ausreichend gegessen wird. Dies muss ebenfalls dokumentiert werden. Am Ende des Frühdienstes erfolgt noch das Übergabegespräch an die Pflegekräfte des Spätdienstes, damit diese über besondere Vorkommnisse informiert sind.

Das Aufgabenspektrum im Betreuungsdienst unterscheidet sich grundlegend von den Aufgaben der Pflegekräfte. Im Betreuungsdienst arbeiten überwiegend Pflegekräfte, die eine Zusatzausbildung für Betreuungstätigkeiten abgeleistet haben, aber auch eine Ergotherapeutin unterstützt das Team. Der Arbeitstag des Betreuungsteams beginnt etwas später mit dem Einnehmen des Frühstücks der Bewohner. Beim Frühstück werden vor allem demente Bewohner bei der Nahrungsaufnahme unterstützt. Nach dem Frühstück erfolgt in der Regel eine so genannte Einzelbetreuung. Hierbei müssen die jeweiligen Bedürfnisse und Fähigkeiten des Bewohners beachtet werden. Während ein Bewohner mit einem Mühle-Spiel in Sachen Konzentrationsfähigkeit gefördert wird, wird eine andere Bewohnerin mit einem Gehtraining unterstützt. Auch Vorlesen, sich unterhalten oder eine kleine Ausfahrt mit dem Rollstuhl können Möglichkeiten sein, mit den Bewohnern in Kontakt zu kommen. Dabei geht es beim Betreuungsangebot nicht um ein reines Beschäftigen der Bewohner. Im Gegenteil: Jede Aktion zielt darauf ab, das Gedächtnis, die Konzentrationsfähigkeit oder die körperliche Mobilität solange wie möglich zu erhalten und natürlich den Heimalltag so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten. Jeden Tag bietet das Altenheim sowohl vormittags als auch nachmittags ein Gruppenangebot an. Möglich sind Singstunden, Bastel- oder Malstunden, Bingospiele, Gedächtnisspiele mit Märchen, Sprichwörtern oder Gedichten, Arbeiten in der Werkstatt oder Kegeln (nach Rollstuhl- und Rollator-Gruppe getrennt). Besondere Highlights sind dabei natürlich Feste, die regelmäßig gefeiert werden. So fand in dieser Woche eine Geburtstagsfeier für die Geburtstagskinder der Monate Juli bis September statt. Alle interessierten Bewohner trafen sich dazu in der festlich geschmückten Cafeteria. Die Jubilare nahmen dabei selbstverständlich einen Ehrenplatz ein. Die Bewohner hörten Gedichte und sangen bei dem Schlager „Liebling, du kannst nicht immer 17 sein“ eifrig mit, um sich anschließend Kaffee und Torte schmecken zu lassen.

Am Ende der Woche stellt sich natürlich die Frage, ob ein Praktikum einer Lehrkraft in einem vollkommen anderen Berufszweig eine sinnvolle Art der Fortbildung ist. Ziel einer Fortbildung sollte unter anderem schließlich sein, dass für den eigenen Unterricht neue Impulse geliefert werden. Dies kann in diesem Fall eindeutig bestätigt werden. Für die Vorbereitung der Schüler auf das Praktikum im Fach Sozialwesen in der 8. und 9. Jahrgangsstufe ist nun eine viel konkretere Unterstützung möglich. Weiterhin sind die Inhalte der Berufsbilder „Ergotherapeut“ oder „Fachkraft für Gesundheits- und Krankenpflege“ nun keine theoretischen Fakten mehr, sondern die Lehrkraft kann aus erster Hand vom Arbeitsalltag berichten. Außerdem hat nun das Thema „Demenz“, das im Lehrplan der 9. Klasse verankert ist, deutlich mehr an praktischem Inhalt gewonnen.

Allen, die dieses Praktikum ermöglicht haben, sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Besonders natürlich dem kompletten Team des Caritas Wohn- und Pflegezentrum Hengersberg, das sich auf dieses eher ungewöhnliche Experiment, eine Lehrerin bei sich mitarbeiten zu lassen, eingelassen hat.

Corina Wandinger