Schulverwaltung der Regener Realschule erkundet Schulen in Estland

Bei einem mehrtägigen Besuchsprogramm im Rahmen von Erasmus+ erkundeten der Verwaltungsbeamte der Realschule Regen, Christian Raster und der Hausmeister Markus Smolka zusammen mit Schulleiter Alexander Reimer zwei estnische Schulen in der Hauptstadt Tallin. Ein Ziel war, der Schulverwaltung einen Blick über den eigenen Tellerrand zu ermöglichen, aber auch die pädagogische Arbeit vor Ort in einem Land kennenzulernen, das bei vergangenen PISA-Tests mit Bestnoten glänzen konnte.

Nach der Ankunft in Tallinn stand am Montag der Besuch der „Tallinna 21. Kool“ auf dem Programm, einer Schule mit knapp 1.400 Schülerinnen und Schülern. Es begann mit einer beeindruckenden Schulhausführung durch den dortigen Direktor Mellis Kond. Im gesamten Gebäude haben die Lernenden Gelegenheit, ihre Kunstwerke und Produkte aus dem Unterricht auszustellen und so öffentlich zu machen. Erwähnenswert sind auch die derzeit 16 Schülerfirmen oder Langzeitprojekte, welche nicht selten in eine tatsächliche Firma nach der Schulzeit münden. Der multifunktionale Aula-Bereich lädt mit Sitzsäcken und Arbeitsecken zum Verweilen, aber auch zu Projekt- und Gruppenarbeiten ein, was den Regenern viele Ideen für die eigene Schule brachte.

Estnische Kinder der 3. und 4. Klasse testeten im Anschluss im Rahmen eines Projektes, welches Ihrer selbstgebauten Fahrzeuge wohl schneller fahre. In einem weiteren Bereich illustrierten Kinder in Gruppen symbolisch anhand eigener Lego-Installationen, wie z. B. der gesamte Prozess der Nahrungsmittelherstellung abläuft, vom Landwirt bis zum Supermarkt. Eine kleine Präsentation durch die Schülerschaft schloss sich an. Theoretisches Wissen wird damit ganz hautnah visualisiert und trägt dadurch stark zur Verankerung in Kompetenzen der Lernenden bei. Ebenso die Tatsache, dass am Anfang jeder Lerneinheit immer Fragestellungen stehen und diese sich im weiteren Verlauf durch die Eigentätigkeit der Schüler und Unterstützung der Lehrkräfte in Antworten auflösen.

Dies ist eine der Basisphilosophien und dürfte stark mit zum Erfolg dieser mit vielen – auch internationalen – Preisen gewürdigten Schule beitragen. Bemerkenswert fanden die Regener Besucher ebenfalls, mit welcher Offenheit man während des jeweiligen Unterrichts begrüßt wurde. Es waren fast ausschließlich Schüler, die kurz den jeweiligen Lerngegenstand erläuterten und Fragen beantworteten. Ein eigens vorbereiteter Vortrag durch die beiden IT-Verantwortlichen der Schule schloss sich an, der die digitale Ausstattung zum Inhalt hatte. Hier zeigte sich, dass sich die Regener Realschule durchaus mit der 21. Schule in Tallinn messen kann.

Am Folgetag standen ebenfalls Unterrichtsbesuche auf der Agenda; diesmal jedoch wurden die Besucher der Regener Realschule von einem Schüler der 11. Klasse souverän und in perfektem Englisch durch das Gebäude und die Unterrichte geführt. Die 21. Schule besitzt sechs solcher „student-guides“ extra für Besucher. Im Anschluss daran referierte die Stellvertreterin des Schulleiters vor den Regener Besuchern über die Digitalisierung in der Verwaltung der Schule. Estland hatte sich hierzu bereits ab 2004 auf den Weg der technischen Erneuerung gemacht und diesen konsequent verfolgt. So existieren beispielsweise von den Schülern lediglich elektronische Schülerakten, die bei Verlassen der Schule bereinigt und weiter an die nächste Ausbildungsstelle gegeben werden, inklusive der Abschlusszeugnisse. Auch die Budgetierung der Schule wird direkt von staatlichen und gemeindlichen Stellen abgerufen; Rechnungen von Firmen kommen ausschließlich digital signiert als Datei und werden durch die Schule ebenfalls nur digital bearbeitet und verbucht. Auf Papier wird bei diesen Vorgängen so gut wie komplett verzichtet. Die Verzahnung digitaler Instrumente in der Verwaltung erschien hier aus deutscher Sicht beeindruckend.

Nach einem abschließenden Gespräch mit dem Schulleiter durften sich die Regener Besucher in das Gästebuch der Schule einschreiben und mit vielen inspirierenden Eindrücken die 21. Schule Tallinn wieder verlassen.

An zwei weiteren Tagen bestand im Anschluss Gelegenheit, die „International School of Estonia“, eine Privatschule, zu besuchen. Dort besuchen 170 Schüler aus unterschiedlichsten Ländern den Unterricht fast ausnahmslos in englischer Sprache. Die Leiterin Kadri Tomson führte auch hier zunächst ausführlich durch das Gebäude. Naturgemäß besteht die Schule aufgrund der geringeren Anzahl von Schülern aus sehr kleinen Klassen bzw. Lerngruppen, was selbstverständlich zu einer engeren Betreuung und Förderung der Schüler führt. Die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Schüler durch Differenzierungen im Unterricht auszugleichen ist zentraler Bestandteil des pädagogischen Konzepts.

Ein weiterer Kern ist das sog. „Inquiry based learning“, dem auf Fragen der Schülerschaft basierendem Lernen. Diese werden bearbeitet und liefern ganz nebenbei den theoretischen Wissenshintergrund. Die strikte Trennung der Fächer löst sich damit stellenweise auf, wenn z.B. im Biologieumfeld von Schülern gefragt wird, wie man das Gefühlsleben von Katzen interpretieren könne. Die Lernenden erfahren damit etwas über die Katze selbst, aber auch, wie man sich Informationen selbständig beschafft, bewertet und verwertet. Auch bei dieser Arbeitsweise steht immer die Selbsttätigkeit und das Wissen, warum man was gerade tut, im Mittelpunkt, genauso wie die Fähigkeit, seine Erkenntnisse anderen zu präsentieren.

Auch an der International School of Estonia setzt man stark auf die Eigentätigkeit. Gruppenarbeit über ein digitales Endgerät und Google-Vernetzung ist eher die Regel als die Ausnahme. Das Handy liegt als Arbeitsgerät bei vielen Schülern direkt auf dem Tisch, wer besser mit Musik im Ohr arbeiten kann, setzt einfach die Kopfhörer auf; auch das ist möglich. Ein Handyverbot gibt es an dieser Schule ebenfalls nicht, ebenso wenig in den Pausen. Und wenn es sein muss, kommt auch der private Hund mit ins Klassenzimmer, weil er Aufsicht benötigt und nimmt neben einem der Sofas Platz, die im Klassenraum wie selbstverständlich neben den Tischen stehen.

Erstaunlich, wie offen auch an dieser Schule die Türen zu den Klassenräumen waren und wieder Schüler sofort erklärten, woran sie gerade arbeiten und die Lehrkräfte einen Besucher jederzeit willkommen hießen. In einer Art Abschlussprojekt war unter anderem beobachtbar, wie eine Schülerin für jeden Arbeitsschritt von der Idee über die Zeichnung bis hin zum Laserschnitt der Teile für den Bau eines funktionierenden Baggermodells verantwortlich zeichnete.

Als Privatschule genießt die International School of Tallinn zwar viele Freiheiten, muss jedoch auch wie andere Schulen einem Lehrplan folgen und die Schüler zu einem international anerkannten Abschluss führen. Zentral ist aber auch dort die Vermittlung der Fähigkeit, Wissen aufgrund von Fragestellungen zu erlangen und die erworbenen Kompetenzen in anderen Bereichen zur Anwendung zu bringen.

An einem weiteren Tag bestand noch einmal die Gelegenheit, die Schule zu besuchen und sich alleine und frei im Gebäude zu bewegen, die verschiedensten Unterrichte zu besuchen und sich erläutern zu lassen, was man gerade warum wie im Unterricht mache.
Um wiederum viele Eindrücke reicher bedankten sich die Besucher aus Regen bei Frau Tomson für die offene und unkomplizierte Art und Weise, die Schule kennenlernen zu dürfen.

Ein Besuch des Wasserflughafenhangars, der in ein großes Maritimmuseum umgebaut wurde, bildete den Abschluss einer ereignis- und erkenntnisreichen Woche für die Delegation der Siegfried-von-Vegesack-Realschule Regen.