Schülerbegegnung und Praktikum in sozialen Einrichtungen in Mittersill im Land Salzburg
Erasmus + macht Fahrt einer Schülergruppe nach Österreich möglich
Meine persönlichen Eindrücke
Siegi ist in Mittersill angekommen. Erasmus+ sei gedankt! Nach einem ersten Rundgang durch den Ort am Anreisetag machen sich die SchülerInnen am ersten Vormittag auf zu ihren Praktikumsbetrieben: Sanitätshaus Tappe, Kinderarzt Dr. Drexler und St. Vinzenz Kindergarten. Vielen Dank an alle Einrichtungen für die freundliche Aufnahme unserer Schüler. Es ist keine Selbstverständlichkeit, sich neben dem beruflichen Alltag auch noch um Praktikanten zu kümmern.
Mein erster Tag war voller Eindrücke für mich an der PTS Mittersill. Das österreichische Schulsystem unterscheidet sich mehr von unserem, als ich zunächst dachte. Schwerpunkte einer „Poly“ liegen im Fachbereichsunterricht, der sehr stark projektorientiert konzipiert ist. Der Kreativität der SchülerInnen wird sehr viel Zeit und Raum gegeben. Von einer zeitlich so entspannten Lernatmosphäre kann ich manchmal nur träumen! Insgesamt gibt es an der Schule sieben Fachbereiche: Bau, Metall, Holz, Elektrotechnik, Handel, Dienste und Tourismus.
Der Fachbereich „Handel“ übte Handlettering. Ein neuer Trend, der bei der praktischen Schaufenster-Gestaltung, die an diese Einheit anschließen wird, eingesetzt werden soll. Der Fachbereich „Dienste“ (Schwerpunkt Schönheit) übte einerseits das Zeichnen von Zopfmustern.
Das ist ziemlich schwer, wie ich erstaunt feststellen musste. Andererseits lernten die Schülerinnen auch das richtige Waschen und Föhnen im schuleigenen Frisöratelier. Sehr beeindruckend!
Der Nachmittag stand trotz der Anstrengung eines Arbeitsvormittags ganz im Zeichen des Kennenlernens der Gegend. Deswegen besuchten wir die Nationalparkwelten. Am meisten beeindruckte die Gruppe der 360° Film über alle Tages- und Jahreszeiten des Nationalpark Hohe Tauern. Von diesem Erlebnis konnten sich manche- mich eingeschlossen- nur schwer trennen.
Tag 2 an der PTS: Heute durfte ich bei den Fachbereichen Holz und Metall zusehen. Im Fachbereich Holz bauen die Schüler gerade Modelle für ein kleines Materialhäuschen, das ein Kindergarten des Pinzgaus bekommen wird. Die Jungs haben sich dazu zunächst überlegt, wie das Häuschen aussehen soll, damit es gut in den Spielbereich des Kindergartens passt. Anschließend wurden sämtliche Steckverbindungen der Dachkonstruktion über CAD gezeichnet.
Jetzt geht es an den Modellbau. Dabei entstehen beeindruckende Zimmererarbeiten. Ein anderer Teil der Gruppe erstellt mit so genannten Schwalbenschwanzverbindungen ein Kästchen aus Zirbenholz. Auch der Fachbereich Metallbau arbeitet an interessanten Projekten. Als Basisarbeit entsteht gerade ein gekanteter und verschweißter Stiftehalter. Eine aus Kupferblechen gebogene Rose soll ein Muttertagsgeschenk werden. Einige Profis haben auch bereits mit dem Jahresprojekt, einem selbst entworfenen Christbaumständer, begonnen. Die künftige Zimmerer-, Schreiner-, Schlosser- und Mechanikergeneration für die Region Hohe Tauern ist gesichert!
Am Nachmittag nutzten wir den ÖPNV und fuhren durch das schöne Pinzgau bis zu den Krimmler Wasserfällen. Dort angekommen erklommen wir mit über 300 Höhenmetern den Anstieg zu den einzelnen Stufen des Wasserfalls. Mit einer Gesamtfallhöhe von 380 Metern zählen diese Wasserfälle zu den größten der Welt. „So etwas Schönes in der Natur habe ich noch nie gesehen!“, meinte ein Schüler. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Am Mittwoch besuchte ich vormittags die Praktikanten an ihren Arbeitsstellen und konnte mich selbst davon überzeugen, dass sie unglaublich nett von allen Einrichtungen aufgenommen wurden. Andererseits zeigten die strahlenden Gesichter unserer SchülerInnen aber auch, dass sie sich sehr wohl in ihrer Umgebung fühlten.
Am Nachmittag stand endlich der lang geplante Besuch unserer SchülerInnen bei der „Polytechnischen Schule“ an. Ich hatte ja bereits im Vorfeld meiner Gruppe von meinen Erlebnissen dort erzählt. Doch so richtig vorstellen konnten sie sich das Erzählte nicht. Zu anders ist das österreichische Schulsystem. Zunächst trafen wir den Fachbereich Handel. Dort wurden Verkaufsgespräche mit Hilfe eines Fragebogens analysiert und anschließend in der Übungsfirma gearbeitet. Bestellwesen, Abwicklung der Buchhaltung oder Mahnwesen sind für unsere Sozialwesen-Schüler vollkommenes Neuland. Da rauchten die Köpfe.
In einer kleinen Schulhausführung staunte die Gruppe nicht schlecht, als sie die Praxisräume der einzelnen Fachbereiche kennenlernen durfte. Der Fachbereich GSS war gerade dabei, kreatives Nageldesign zu entwerfen oder Frisuren abzuzeichnen. Von der Kreativität der Schülerinnen waren die Gäste beeindruckt. Auch vollkommenes Neuland war der Besuch der Metallwerkstatt. Hier sahen die Besucher den angehenden Schlossern über die Schulter: Sogar beim Schweißen durften wir mit Schutzhelm versehen zusehen. Dass die Schüler der „Poly“ in ihrem jeweiligen Fachbereich richtiges Können zeigen, ja fast so wie richtige Lehrlinge, stimmte unsere SchülerInnen ein bisschen nachdenklich. Aber vielleicht half die Begegnung so manchem, nun doch etwas konkreter die Berufsfindung in Angriff zu nehmen.
Der vorletzte Vormittag stand im Zeichen des Netzwerkens. Zuerst besuchte ich eine Physiotherapie-Praxis. Diese hat neun sehr gut ausgestattete Behandlungsräume, aber leider fehlen der Praxis die Therapeuten. Wie eigentlich in jedem sozialen Beruf fehlt es in Österreich wie in Bayern an Personal. Sollten wir eine derartige Fahrt nach Österreich noch einmal wiederholen, könnte ein Schüler auch in den Beruf des Physiotherapeuten hineinschnuppern. Anschließend hatte ich einen Termin mit dem Heimleiter des Seniorenheims Mittersill. Er nahm sich sehr viel Zeit für mich, um mit mir über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Pflegeausbildung, des Pflegenotstandes und des Umgangs mit Corona zu diskutieren. Auch hier könnten künftig interessierte Praktikanten den Pflegealltag kennenlernen.
Der Nachmittag diente der Entspannung. Das benachbarte Hallenbad des Ortes mit Wasserrutsche und Whirlpool bot dafür die optimalen Bedingungen.
Nach einem letzten Arbeitsvormittag machte sich die Gruppe wieder auf in Richtung Bayern.
Was bleibt von diesem Versuch, in soziale Einrichtungen in einem anderen Land Einblicke zu gewinnen und an einer fremden Schulart zu hospitieren?
Vor allem die vielen netten Begegnungen verbunden mit intensiven Gesprächen, auch wenn wir nicht jedes Wort sofort verstehen konnten, haben sich eingebrannt. Aber auch die Unterschiede werden den Besuchern im Gedächtnis bleiben: Sei es das vollkommen anders aufgebaute Schulsystem ab Sekundarstufe I oder die Art und Weise der Gruppenführung in einem Kindergarten. Die vielen positiven Eindrücke vom Nationalpark Hohe Tauern tun sicher ihr Übriges, dass alles, was mit diesen Eindrücken in Verbindung steht, nachhaltig gegenwärtig bleibt.
Text und Bilder: Corina Wandinger